
Typografie ist Branding! Ob Logos, Webdesign oder Packaging – Schrift ist eines der stärksten Branding-Elemente. Doch was dominiert aktuell? Hier sind 10+1 Typografie-Trends, die 2025 überall auftauchen (und manche, die kritisch zu hinterfragen sind).

1. Variable Fonts in Brandings
Variable Fonts sind eine der größten typografischen Innovationen der letzten Jahre. Flexibilität trifft Technologie: Variable Fonts ermöglichen eine dynamische Anpassung von Strichstärke,
Breite und Neigung innerhalb einer einzigen Schriftdatei zu nutzen – ohne separate Fonts laden zu müssen. Ein fließender Stilwechsel: Schriften können je nach Anwendung »flüssig«
transformiert werden. Perfekt für responsive Designs! Diese Schriften werden zunehmend von progressiven Marken genutzt, um eine einheitliche, aber flexible Typografie zu schaffen.
Warum ist dieser Trend aktuell? Marken brauchen Flexibilität, um sich an digitale und physische Medien anzupassen. Personalisierung & Dynamik gewinnen an Bedeutung – z. B. für
AI-generierte Inhalte oder individuelle User-Erlebnisse. Nachhaltigkeit & Performance → Weniger Dateien bedeuten schnellere Ladezeiten & bessere Web-Performance.
Variable Fonts sind die Zukunft des typografischen Brandings, da sie einheitliche Markenidentität mit maximaler Flexibilität verbinden. Sie sind besonders wertvoll für Unternehmen mit
digitalem Fokus und machen Typografie reaktionsfähig, skalierbar und modern.

2. Distorted & Warped Fonts
Verzerrte Buchstaben, optische Illusionen und organische Formen – dieser Trend spielt bewusst mit Verzerrung, Dekonstruktion und Bewegung in Buchstabenformen. Die typografischen Elemente
erscheinen oft fließend, wellig, gezackt, gedehnt, verdreht oder fragmentiert, um eine dynamische, fast chaotische Ästhetik zu erzeugen. Besonders in Avantgarde-Designs mutiger Brands und
experimentellen Editorials findet man solche Schriftbilder.
Dieser Trend ist aktuell, weil er mit klassischen Typografie-Regeln bricht und eine neue visuelle Spannung erzeugt. Distorted & Warped Fonts sind also ein Gegenentwurf zur Perfektion
klassischer Typografie und eröffnen kreative Spielräume für unkonventionelles Design. Sie erfordern jedoch ein bewusstes Gespür für Lesbarkeit, da übermäßige Verzerrung die Verständlichkeit
beeinträchtigen kann.

3. Pixel & Modular Fonts
Vom frühen Webdesign inspiriert, spielen diese Schriften mit Nostalgie und digitaler Ästhetik. Sie sind ein visuelles Zitat der 8-Bit-Ära und tauchen verstärkt in Gaming-Brands, Krypto-Projekten
und Tech-Startups auf. Die Herausforderung besteht darin, den Retro-Charme mit moderner Lesbarkeit zu verbinden.
Modular Fonts gehen noch einen Schritt weiter: Sie basieren auf wiederholbaren geometrischen Bausteinen, wodurch sie sich perfekt für variable Designs und programmierbare
Typografie eignen. Diese Flexibilität macht sie besonders spannend für experimentelle Webdesigns, generative Kunst und interaktive Typografie. In einer Welt, in der keiner Zeit hat, ist
Lesbarkeit das A und O.
Ich liebe Vintage-Style und Retro-Charme in Kombination mit neueren Typfaces und Stilen. In meinem eigenen Logo verwende ich die allseits beliebte Cooper Black von 1921. Bekannte
Marken wie easyJet, Müller, Katjes oder auch der Garfield-Comic setzen auf den ikonischen, fetten Font im Logo und Corporate Design. Für Webdesigns gibt es mit der »Caprasimo« eine freie
Google-Fonts-Alternative, die den Look von Cooper Black modern interpretiert. Ähnlich wie Pixel- und Modular Fonts zeigt sie, wie Retro-Schriften mit neuen Technologien kombiniert werden können,
um frische und unverwechselbare Markenauftritte zu schaffen.

4. Ink Traps als Stilmittel
Ursprünglich eine technische Lösung für den Druck, um Buchstaben scharf darzustellen, sind Ink Traps* (deutsch: »Tintenfalle«) heute ein bewusst eingesetztes Stilmittel. Sie wirken edgy,
technisch und leicht dekonstruiert. Besonders in Branding und UI-Design für Startups und Tech-Firmen dominieren Ink-Trap-Fonts, um eine moderne und dynamische Identität zu schaffen.
Wenn zwei Elemente einer Buchstabenform in einem kleinen Winkel aufeinandertreffen, kann die Druckfarbe in sehr kleinen Schriftgrößen verlaufen. Um das zu vermeiden, werden diese Bereiche
optisch geöffnet. Dieser Einzug nennt sich »Ink Trap«. Eine der bekanntesten Ink Trap Schriften ist die »Bell Centennial« von 1978.

5. Brutalist Typography
Roh, sperrig, kompromisslos: Brutalist Fonts orientieren sich an der Architekturbewegung des Brutalismus und setzen auf extreme Kanten, harte Kontraste und ungefilterte Typografie. Brutalist Typography ist eine bewusste Gegenbewegung zur minimalistischen Ästhetik, die klare, harmonische Formen zugunsten von Härte und Kantigkeit ablehnt. Sie setzt auf ungefilterte, visuell laute Typografie, die unkonventionell Aufmerksamkeit erzeugt und als Statement fungiert. Ursprünglich aus Architektur und Grafikdesign entstanden, wird Brutalismus heute im digitalen Raum weiterentwickelt und findet vor allem in Subkulturen Anklang. Ähnlich wie das Grunge-Design der 90er versteht sich dieser Stil als Rebellion gegen die Perfektion zu glatter, berechneter Designs.
- Experimentelle Designs: Unkonventionelle Gestaltung, die bewusst mit Sehgewohnheiten bricht.
- Subkulturelle Projekte: Beliebt in Kunst, Musik und Underground-Magazinen.
- Tech & Digital Art: Verleiht Webseiten, Apps und digitalen Plattformen eine rohe, progressive Ästhetik.
- Mode & Streetwear-Brands: Vermittelt eine rebellische, ungeschönte Attitüde.
- Plakate & Editorials: Besonders für auffällige, provokante Layouts geeignet.

6. Handwritten & Sketchy Fonts
In einer von KI-generierten Designs dominierten Welt sind handgezeichnete Fonts ein Kontrast zur digitalen Perfektion. Sie wirken warm, menschlich und nahbar – ideal für Personal Brands, nachhaltige Marken und alles, was Authentizität und Einzigartigkeit transportieren soll:
- Im Personal Branding für kreative, künstlerische oder handwerkliche Marken.
- Nachhaltige & ethische Unternehmen: Vermitteln Natürlichkeit und Echtheit.
- Food & Beverage: Besonders für Bio-Produkte oder handgemachte Lebensmittel beliebt.
- Lifestyle & DIY-Brands: Um Individualität und kreatives Chaos zu zeigen.
- Kinder- & Entertainment-Designs: Verspielt, locker und freundlich.
- Social Media & Storytelling: Emotionale Verbindung durch Handschrift-Ästhetik.

6.1 Ökologische Typografie
Nachhaltigkeit ist mehr als nur ein Trend – sie ist eine Bewegung. Öko-Typografie setzt auf Fonts, die mit minimalem Tintenverbrauch, energieeffizientem Rendering und natürlichen, erdigen
Ästhetiken gestaltet sind. Dieser Stil richtet sich an Marken mit einem nachhaltigen Fokus und spricht ein umweltbewusstes Publikum an.
Eine besondere Variante kombiniert serifenlose Schriften mit einzelnen handgeschriebenen Buchstaben in derselben Strichstärke, um Natürlichkeit und Individualität zu unterstreichen.

7. High-Contrast Serifs
High-Contrast Serifs sind ausdrucksstark, edel und auffällig. Sie eignen sich besonders für Premium-Branding, High-End-Editorials und Luxusprodukte, sollten aber gezielt eingesetzt werden, um Überladenheit zu vermeiden. Ihr einzigartiger Kontrast macht sie ideal für Marken, die Eleganz und Exklusivität ausstrahlen wollen. Extreme Strichstärkenunterschiede zwischen dicken und dünnen Linien machen diese Schriften besonders elegant, in Logos entfalten sie eine kunstvolle Wirkung.
- Luxusmarken: Vermitteln Eleganz, Exklusivität und einen hochwertigen Look.
- High-End-Editorials: Perfekt für Mode-, Kunst- und Kulturmagazine, da sie Raffinesse und Dramatik erzeugen.
- Premium-Produkte: Häufig genutzt in der Kosmetik- und Schmuckbranche, um ein edles Markenimage zu unterstreichen.
- Webdesign & Branding: Verleihen Markenidentitäten eine kunstvolle, moderne Note, wenn sie gezielt eingesetzt werden.
- Logos & Packaging: Besonders wirksam für elegante Wortmarken, die sich visuell von Standard-Typografie abheben sollen.
Gefunden:
- David Protein Bars nutzt die »Instrument Serif« in Logo, Headlines und Packaging

8. Neo-Grotesk-Revival
Helvetica ist nie wirklich verschwunden, aber jetzt erleben Neo-Grotesk-Schriften ein starkes Comeback – mit weicheren Formen und subtilen Verbesserungen in Lesbarkeit und Ästhetik. Während Helvetica, Univers & Akzidenz Grotesk die Klassiker dieser Kategorie sind, setzen neue Interpretationen auf weichere Kurven, ausgeglichene Proportionen und eine bessere digitale Darstellung.
Key Merkmale:
- Klar & sachlich: Nüchterne Formensprache ohne Schnörkel, aber mit organischerer Anmutung
- Weichere Kanten & optimierte Buchstabenabstände: Mehr Lesbarkeit als bei alten Grotesk-Fonts
- Flexibel & neutral: Perfekt für vielseitige Anwendungen von Branding bis Editorial
- Digital optimiert: Bessere Darstellung auf hochauflösenden Displays & Web
Das Neo-Grotesk-Revival kombiniert zeitlose Klarheit mit moderner Lesbarkeit und ist damit die perfekte Wahl für Marken, die Seriosität und Professionalität ohne Strenge, sondern mit Wärme ausstrahlen wollen. Besonders Corporate Brands setzen auf diese Schriften, um Vertrauen, Professionalität und Modernität in Einklang zu bringen.
8.1 Exkurs: Neo Grotesk vs. Geometrische Sans Serif
Viele glauben, dass Marken wie Spotify, Airbnb oder Google bei ihren Rebrandings geometrische Schriften gewählt haben, um nahbarer zu wirken – aber das ist ein Trugschluss. Tatsächlich steckt
eine andere Strategie dahinter und gar keine streng geometrischen Fonts. Geometrische Fonts sind schlechter lesbar als Neo-Groteske oder weiche Humanistische und werden in
der Praxis oft als modern, präzise und technisch und damit eher als kühl empfunden.
Marken wählen diese Fonts nicht, weil sie menschlicher oder nahbarer wirken, sondern weil sie minimalistisch, digital funktional und langfristig nutzbar sind. Die wahre Nahbarkeit entsteht
oft durch rundere Ecken, angepasste Laufweiten oder humanistische Elemente, die an natürliche Schreibbewegung erinnern wie variable Strichstärken – nicht durch pure Geometrie und Kreisbasis.

Geometrische Schriften wie Futura oder Avant Garde basieren auf perfekten Grundformen – Kreise, Quadrate und Dreiecke bilden die Grundlage ihres Designs. Marken wählen diese oder angepasste geometrische Schriften oft, um Modernität, Struktur und Innovation zu vermitteln. Ihr minimalistisches Design passt besonders gut zu Tech-Unternehmen, Architekturbüros oder Luxusmarken, die Wert auf ein cleanes und durchdachtes Erscheinungsbild legen.
Eine Studie von Monotype und Neurons hat untersucht, wie Schriften emotional wahrgenommen werden:
- Klassische Sans-Serifs (z. B. Helvetica) wurden als vertraut und seriös empfunden.
- Geometrische Schriften (z. B. Futura) lösten eher Assoziationen mit Technologie und Präzision aus, konnten aber auch als »steril« oder »unpersönlich« wahrgenommen werden.
- Die Lesbarkeit und emotionale Wirkung einer Schrift hängt stark vom Kontext ab – eine zu futuristische Schrift kann beispielsweise in einem emotionalen Umfeld unpassend wirken.
Quelle: PR Newswire

9. Super-Condensed Grotesks
Ultraenge, hohe Schriften erzeugen maximale Präsenz auf minimalem Raum. Diese Fonts finden sich in High-Fashion-Labels, Luxusbrands und Tech-Unternehmen, die eine progressive,
zukunftsgerichtete Anmutung suchen. Allerdings leidet oft die Lesbarkeit, weshalb sie vor allem für Headlines und Logos genutzt werden.
Längere Headlines oder ganze Texte in Großbuchstaben (Versalien) können stilistisch spannend wirken, sind aber schwerer lesbar als gemischte Schreibweisen. Wenn man längere Headlines in Versalien setzt, sollten bestimmte Anpassungen vorgenommen werden, um die Lesbarkeit zu verbessern:
- Buchstabenabstände (»Sperren«) vergrößern, um eine zu dichte Optik zu vermeiden
- Zeilenabstände anpassen, sodass die Struktur erhalten bleibt und Wörter nicht verschwimmen
Gefunden:
- Das Tanztheater Wuppertal spielt in Corporate Design und Website ganz aufregend mit der »Origin Super Condensed«. Eingesetzt in gekippten Worten erinnert das Schriftbild so an tanzende Menschen.
- Das Unternehmen Sphere Semi, das KI-gestützte analoge Chips entwickelt, nutzt auf seiner Website die Schriftart »FKT Gnarly«, eine super-kondensierte Grotesk-Schrift.
- The Drinks Bureau gestaltet mit der »Origin Super Condensed« das Design der Getränkedosen – sinnvoll, weil auf den schlanken Dosen in der Breite wenig Platz ist für Getränkenamen, die länger sind als »Gin & Tonic«.
Ultraenge Schriften sind eine oft genutzte Stilrichtung für markante Designs, aber kein dominierender Trend.

10. Serif & Sans Mix
Die Kombination von Serifen- und Sans-Serif-Schriften innerhalb einer Brand schafft eine visuelle Hierarchie und sorgt für einen spannenden Kontrast. Besonders beliebt in modernen Editorial-
und Webdesigns. Bekannt ist der Mix eher getrennt: Man nimmt die eine Art für Überschriften und die andere für Fließtexte. Das Neue ist, der Mix innerhalb dieser makrotypografischen
Kategorien – zum Beispiel schon in einer Zeile.
Für die visuelle Gefälligkeit müssen beim Font-pairing – auch, oder gerade, wenn es stören soll – mikrotypografische Eigenschaften wie Dickte, x-Höhe, Versalhöhe, Strichstärke,
Serifenform, Laufweite usw. beachtet werden.

+1: Custom Modifications für Logos
Corporate Schriften sind nicht mehr nur „von der Stange“. Logos nutzen angepasste Zeichenformen, abgeschnittene Serifen oder spezielle Buchstabenmodifikationen, um Marken einzigartig zu machen. Doch Vorsicht: Zu viele Eingriffe können den Wiedererkennungswert verwässern. Außerdem sollte die Art der Modifikation aus der Strategie und Markenstory kommen und die Markenidentität unterstreichen. Die Schriftanpassung sollte nicht geschmäcklerisch entstehen. Wenn das gewünscht wird, fehlt es dem Logo generell an Wiedererkennungswert und Einzigartigkeit. Wahrnehmbarer und spielbarer als eine Schriftmodifikation ist ein eigenes Zeichen – ein individuelles Signet.
Trends sind spannend – aber kein Ersatz für eine starke Markenstrategie. Wer blind Trends folgt, verliert schnell an Klarheit. Die Kunst liegt darin, typografische Trends intelligent
zu adaptieren, anstatt ihnen hinterherzulaufen.
Demnächst werde ich hier meine Lieblings-Schriftfamilien jeweils nach Klassen (Grotesk – serifenlos; Antiqua – mit Serifen; Script – Schreibschrift, usw.) vorstellen.

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